Ohne Teilzeit kein „stabiler“ Arbeitsmarkt

Unterbeschäftigung (Arbeitslosigkeit, Stille Reserve, Kurzarbeit, Teilnahme in Maßnahmen der Arbeitsverwaltung) und damit die Teilhabe an und durch Arbeit ist seit Jahrzehnten ein Problem, welches nicht grundsätzlich gelöst wurde (s. hier und hier).

Im Trend nimmt die Zahl der Erwerbstätigen (abhängig Beschäftigte, Selbständige und andere Formen) zu. Ihre Zahl stieg von rund 39 Mio. Personen im Jahr 1991 auf rund 45,5 Mio. Personen in 2022. Auch das Arbeitsvolumen nimmt parallel zu. Allerdings ist die durchschnittliche Arbeitszeit pro Person gesunken. Betrug die Jahresarbeitszeit 1991 noch 1.554 Stunden pro Person, so lag der Wert 2022 bei 1.341 Stunden.

Quelle der Daten: IAB

Das bedeutet, dass im Zeitverlauf mehr Arbeitsvolumen auf mehr Personen verteilt wurde, durch eine Zunahme an Teilzeitarbeit (Teilzeitquote bei den Beschäftigten 1991: 18,4 % und 2022 38,7 %, also doppelt so hoch).

Würde man die durchschnittliche Jahresarbeitszeit von 1991 bis zum Jahr 2022 konstant setzten, dann wären 2022 statt den rund 45,5 Mio. Personen nur rund 39 Mio. Personen erwerbstätig. Um die Differenz von 6,5 Mio. Personen wäre die Zahl der Arbeitslosen größer, sofern sie sich nicht vollständig vom Arbeitsmarkt zurückziehen.

Quelle der Daten:IAB

Der „stabile“ Arbeitsmarkt basiert stark auf der steigenden Teilzeitarbeit. Deshalb konnte die Zahl der registrierten Arbeitslosen auch sinken. Eine individuelle Teilzeittätigkeit könnte gesellschaftlich unproblematisch sein, wenn sie existenzsichernd entgolten werden würde. Die Armutsgefährdungsquoten zeigen (s. hier), dass dies häufig nicht der Fall ist. Weitere Daten zeigen, dass der deutsche Arbeitsmarkt durch einen großen Niedriglohnsektor geprägt ist (s. hier). Die seit 30 Jahren sinkende Jahresarbeitszeit verschärft demnach das Armutsproblem, wenn keine deutlichen Lohnsteigerungen damit verbunden werden.

Wenn man nun die Unterbeschäftigung in einem größeren Umfang als bisher abbauen möchte, wäre eine Steigerung des Produktionsvolumen (das Produktionsniveau bestimmt das Beschäftigungsniveau bei gegebener Technik) nötig. Das würde eine Erhöhung der Wachstumsrate über den Produktivitätsanstieg hinaus erfordern, beispielsweise durch Stimulierung der Investitionstätigkeit. Allerdings ist eine Erhöhung der Wachstumsrate mit ökologische Problemen verbunden (Stichworte: globale Erwärmung, Biodiversität, Wasserknappheit u. a.). Die Senkung der durchschnittlichen Produktivität würde den Niedriglohnsektor noch mehr ausweiten und ist dauerhaft auch nicht realistisch oder von Vorteil (s. hier).

Kurzfristig ist eher eine Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeiten zielführend, wenn also das Arbeitsvolumen auf mehr Personen verteilt werden könnte. Das bedeutet eine andere Verteilung der Arbeit, indem die Zahl der Vollzeitbeschäftigten sinkt und die der Teilzeitbeschäftigten steigt, und zwar bei einen vollem Lohn- und Finanzierungsausgleich an dem die Arbeitgeber beteiligt sind.

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