Ist der Arbeitsmarkt stabil?

Seitens der Bundesregierung und den Medien wird seit Monaten der „stabile Arbeitsmarkt“ hervorgehoben. Dabei wird allein auf die registrierte Arbeitslosigkeit (vgl. hier) Bezug genommen. Diese hat spätestens seit Einführung des SGB II (sog. „Hartz IV“) an Aussagekraft für eine Interpretation der Arbeitsmarktdynamik verloren. Gründe sind die veränderten Definitionen und Zählweisen.

Aussagekräftiger als die Arbeitslosigkeit ist das Maß der sog. Unterbeschäftigung. In der Unterbeschäftigung werden in der engsten Definition zusätzlich zu den registrierten Arbeitslosen auch die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im Sinne des SGB gelten, weil sie Teilnehmende an einer Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik oder in einem arbeitsmarktbedingten Sonderstatus sind.

Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung

Die Entwicklung der Quoten von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung seit Beginn des Jahres 2022 (für frühere Zeiträume siehe hier und hier) zeigt, eine leicht sinkende Arbeitslosenquote bis Mai 2022, die dann von 4,9 % im Mai 2022 auf 5,7 % im Februar 2023 ansteigt (+ 0,8 Prozentpunkte). Zum Anstieg in diesem Zeitraum haben die Flüchtlinge aus der Ukraine beigetragen. Die Unterbeschäftigung nahm eine ähnliche Entwicklung, wobei der Anstieg der Unterbeschäftigungsquote stärker war als der der Arbeitslosenquote (+1,0 Prozentpunkte). Die Unterbeschäftigungsquote liegt seit August 2022 über 7 %.

Die Arbeitslosenquote bildet die Unterbeschäftigungsquote zu einem großen Teil nicht ab. Dieser Anteil entsprach seit Januar 2022 im Mittel etwa 76,6 % der registrieren Arbeitslosigkeit in Unterbeschäftigung. Rund jeder vierte Arbeitslose wird in der Arbeitslosenquote nicht gezählt. Von registrierter Arbeitslosigkeit sind demnach nicht allein 2,62 Mio. Personen betroffen, sondern 3,49 Mio. Menschen.

Quelle: Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Darstellung

Entgegen der Redeweise von einem „stabilen“ Arbeitsmarkt steigt seit Januar 2022 im Trend die Zahl der Unterbeschäftigten.

Quelle: Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Darstellung

Dass die Zunahme der Unterbeschäftigung mit der Zuwanderung aus der Ukraine zusammenhängt, sollte nicht dazu führen, wie die Redeweise von einem „stabilen Arbeitsmarkt“ nahelegt, in den Anstrengungen zur Überwindung von Arbeitslosigkeit nachzulassen. Auch vor der Zuwanderung waren über 3 Mio. Menschen ohne Arbeit. Hier muss mehr getan werden.

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