Mindest- und Tariflohn im Teilhabechancengesetz: Anreiz oder Hürde?

Im Referentenentwurf vom Mai 2018 zum Teilhabechancengesetz, welches die Beschäftigungs- und Teilhabeperspektiven und Langzeitarbeitslosen und Langzeitleistungsbeziehenden verbessern soll, war eine Förderung der Arbeitgeber-Lohnkosten bezogen auf Tarif- oder ortsübliche Löhne beim §16i SGB II iE – Teilhabe am Arbeitsmarkt – vorgesehen. In späteren Fassungen wurde die Förderhöhe auf den Mindestlohn abgestellt. So nun auch im aktuellen Gesetzesentwurf. Das hat zur Folge, dass Arbeitgeber, die Tariflöhne zahlen (müssen), nur einen Prozentsatz des Mindestlohnes als Förderung bekommen.  Damit sinkt der Anreiz zur Beschäftigung von Arbeitsmarktfernen.

Wie groß ist nun der finanzielle Effekt?

Ab dem 1.1.2019 wird der Mindestlohn brutto pro Stunde 9,19 Euro betragen.

Der Unterschied zwischen Tarif- und Mindestlohnbezug in der Förderquote soll nun beispielhaft an zwei Tariflöhnen gezeigt werden. Beim Beifahrer/-in ohne Fahrtätigkeit und bei einer/einem Lagerarbeiter/-in handelt es sich durchaus um Tätigkeiten, die auch für Arbeitsmarktferne in Frage kommen können.

Beifahrer/-in ohne Fahrtätigkeit

Für eine/n Beifahrer/-in ohne Fahrtätigkeit mit Tätigkeiten, die ohne Vorkenntnisse nach Ein- oder Anweisung ausgeführt werden können, ist nach dem Tarif für das Verkehrsgewerbe in der Tarifgruppe 1 (unterste Gruppe) in Nordrhein-Westfalen ein Stundenlohn (Grundvergütung) von 11,60 Euro vorgesehen.

Damit erhält der Arbeitgeber im 1. Förderjahr nach §16i SGB II iE (=100%-Förderung) eine tatsächliche Förderquote von 79,2%. Der Unterschied liegt bei über 20%.

Lagerarbeiter/-in

Für eine/n Lagerarbeiter/- in mit Tätigkeiten ohne handwerkliche Vor- oder Ausbildung, die aber in der Regel körperlich schweres Arbeiten erfordern, ist nach dem Tarif für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen in der Tarifgruppe IIb (unterste Gruppe) ein Stundenlohn (Grundvergütung) von 13,82 Euro vorgesehen.

Damit erhält der Arbeitgeber im 1. Förderjahr nach §16i SGB II iE (=100%-Förderung) eine tatsächliche Förderquote von 66,5%.

Fazit

Je nach Tariflohnhöhe kann für einen Arbeitgeber der Anreiz größer sein eine Person mit einer Förderung nach §16e SGB iE zu beschäftigen, da hier die Förderquote bei 75% des Tariflohns liegt. Nicht nur ist beim Beispiel des/der Lagerarbeiter/-in der Zuschuss höher (75% statt 66,5%), sondern möglichweise sind diese Arbeitslosen arbeitsmarktnäher als der Personenkreis für §16i SGB iE.

Der Arbeitgeber muss in den genannten Beispielen ein Fünftel bzw. ein Drittel selbst finanzieren. Das wird er in der Regel nur tun, wenn er von einer Leistungsfähigkeit der Beschäftigten im mindestens dem gleichen Umfang ausgehen kann. Dazu ist er auf entsprechende Informationen – vom Jobcenter – angewiesen. Die Jobcenter sollen allerdings nur Arbeitsmarktferne für das Programm auswählen. Wahrscheinlich wird dann ein Arbeitgeber eine Mindestleistungsfähigkeit in Höhe der Förderlücke ausschließen und auf die Beschäftigung verzichten.

Hinzu kommt aber, dass ein Arbeitgeber die Personen zugewiesen bekommt und seine Auswahlmöglichkeit eingeschränkt ist.

Das Design des §16i SGB II iE hinsichtlich des Förderumfangs, vor allem im Vergleich zu früheren oder aktuellen Förderinstrumenten, wird dazu führen, dass tarifgebundene Arbeitgeber kaum Arbeitsmarktferne wegen dieses Förderinstrumentes beschäftigen werden. Im Gegenteil ist der Anreiz für nicht Tarifgebundene größer und Mindeslohntätigkeiten werden begünstigt. Die soziale Teilhabe setzt den Anreiz beim Mindestlohn.

 

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