Finanzierbarkeit der „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“

Das von der Bundesregierung verabredete Regelinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle““ ist hinsichtlich Fördervoraussetzungen oder als ein Gesetzesentwurf noch nicht veröffentlicht. Allenfalls machen unterschiedliche Informationen die Runde (Aktualisierungen zum Beitrag s.u.).

Geplant sei

  • ein degressiver Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber, der bei 100% beginnend jährlich um 10%-Punkte für die Dauer von fünf Jahren reduziert wird.
  • Ein Mindestlohn ist zu unterstellen.
  • Für die Jahre 2018 bis 2021 ist ein Budget von 4 Mrd. Euro vorgesehen.
  • Die Arbeiten unterlegen nicht den Kriterien der Arbeitsgelegenheiten (Zusätzlichkeit, öffentliches Interesse, Wettbewerbsneutralität), insofern könnten alle Arbeitgeber einen solchen Zuschuss beantragen.
  • Die Fördervoraussetzung auf Seiten der Zielgruppe sind sowohl 8 Jahre Leistungsbezug im Gespräch als auch 4 Jahre Arbeitslosigkeit. Dabei handelt es sich um zwei völlig verschiedene Sachverhalte. Interessant werden die zu berücksichtigenden Unterbrechungen bei der Berechnung der Dauer der Arbeitslosigkeit oder des Leistungsbezugs sein. Damit wird die Größe der Zielgruppe gesteuert.

Offen ist, welche weiteren anfallenden Kosten (für Qualifizierung, Coaching, Anleitung, Verwaltung) außerdem noch bezuschusst werden. Womöglich müssen alle Kosten außer den Lohnkosten aus dem Eingliederungsbudget der Jobcenter oder durch die Arbeitgeber selbst finanziert werden.

Weiter stellen sich zahlreiche Detailfragen:

  • Sind die zusätzlichen 4 Mrd. Euro zweckgebunden durch die Jobcenter zu verwenden?
  • Wie können die Arbeitsverträge befristet werden (vor allem weil auch in diesem Bereich Änderungen im Koalitionsvertrag vorgesehen sind)?
  • Wird der Mindestlohn in der Laufzeit in der Förderhöhe angepasst?
  • Welche Verwaltungsanforderungen werden an Anträge und Nachweise gestellt?

Die Hauptfrage: Ist die Finanzierung ausreichend?

Nimmt man das zusätzliche Budget von 4 Mrd. € (wie im Koaltionsvertrag angekündigt) und verteilt diese Summe auf 150.000 Personen (Eintritte, nicht Plätze) mit einem Mindestlohn in Vollzeitbeschäftigung, dann ergibt sich eine Fördersumme von rund 560€ pro Person und Monat (vgl. mein Beitrag vom 15.1.2018). Eine im Vergleich zu Arbeitsgelegenheiten niedrige Summe. Bei entsprechenden Lohnkosten (39 Wochenstunden * 8,84€ Mindestlohn * 4,33 Wochen = 1492,81 AN-Brutto) würde selbst ein Passiv-Aktiv-Tausch (PAT; gemeint ist damit die Nutzung der Transferleistungen Arbeitslosengeld II und Kosten der Unterkunft für die Eingliederung) keine ausreichende Finanzierung bieten – eine 100%-Förderquote unterstellt. Hinzu kommen noch Kosten für Anleitung, Qualifizierung, Coaching und Verwaltung.

Ändert man die Annahmen unter Beibehaltung der Aussagen im Koalitionsvertrag, dann wird die Finanzierung realistisch. Unterstellt man

  • die o. g. degressive Reduzierung der Lohnkostenförderquote um jährlich je 10 %-Punkte für 5 Jahre
  • jährlich Eintritte von 37.500 (150.000 / 4 Jahre)
  • Mindestlohn von 8,90 (aktuell 8,84€; zum 1.1.2019 wird es eine Anpassung geben)
  • 30-Stundenwoche
  • Arbeitgeber-Sozialversicherungsanteil von 20%

dann ergibt sich ein Förderbedarf von rund 5,62 Mrd. Euro für 4 Jahre. Abbrecher/innen würden diese Summe reduzieren.

Werden die im Koalitionsvertrag angekündigten 4 Mrd. € zusätzlichem Budget durch einen angenommen PAT (eingespartes Arbeitslosengeld II und Kosten der Unterkunft im Volumen von 700€) ergänzt, ergibt sich bei vorgenannten Annahmen eine Finanzierung von rund 7,1 Mrd.€. Damit würden noch 1,48 Mrd. € für die verschiedensten Aufwendungen (zumindest die Administration und Evaluation werden aus dem Budget heraus finanziert werden) zur Finanzierung bereit stehen.

Fazit:

Unter diesen Bedingungen ist das Instrument realistisch umzusetzen.

Aktualisierungen

Nachtrag 28.5.2018

Bundesminister Heil kündigt das neue Instrument zum 1.1.2019 an.

Ekin Deligöz, MdB der Bundestagsfraktion B’90/Die Grünen, vermutet in der Haushaltsdebatte am 18.5.2018, dass lediglich 3,2 Mrd. € an Budget während der Wahlperiode im Haushalt bereitgestellt werden sollen.

Nachtrag 30.5.2018

Beim Tag der Jobcenter am 29.5.2018 hat Bundesarbeitsminister Heil einige neuere Hinweise gegeben. Allerdings fehlen immer noch Details zu einer fundierten Bewertung. Nach aktuellem Stand gibt es zwei förderfähige Personengruppen.

  1. Personen, die schon sechs Jahre oder länger Arbeitslosengeld II (sog. „Hartz IV“) beziehen (Langzeitleistungsbezug) und lediglich kurz erwerbstätig waren, sollen bis zu fünf Jahre lang gefördert werden. Ihre Lohnkosten werden degressiv, von 100% aus beginnend, gefördert.
  2. Bei Menschen, die erst seit zwei Jahren arbeitslos sind (Langzeitarbeitslos), soll es über 24 Monate hinweg Lohnkostenzuschüsse geben. Dieser soll degressiv ausgestaltet werden: 75 Prozent im ersten und im zweiten Jahr 50 Prozent des tariflichen oder ortsüblichen Lohns. Angedeutet wurde allerdings auch, dass ein Mindestlohn genügen könnte.

Die Entscheidung, wer gefördert wird, soll bei den Jobcentern liegen. Möglicherweise darf die 1. Personengruppe nur zusätzliche Tätigkeiten ausführen.

Nachtrag 2.6.2018

Die bereits bekannt gewordenen Informationen wurden nu vom BMAS offiziell veröffentlicht. Das Instrument soll nun den Titel „MitArbeit“ tragen. Siehe dazu MitArbeit – mit einer ersten Einschätzung.

Dieser Beitrag wurde unter Arbeitsgelegenheit, Arbeitsmarkt, SGB II, Soziale Teilhabe veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.