Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – Entwicklung seit 2014

Stehen sog. 1-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II) schon seit Jahren in der Diskussion der Arbeitsmarktpolitik als Förderinstrument, sind zum 1.8.2016 Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (Hammer 2017b, 2017d) als Arbeitsgelegenheiten nach § 5a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hinzugekommen. Weniger in der öffentlichen Wahrnehmung finden sich die Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG. Diese existieren ebenfalls schon seit Jahren. Dieser Instrumententyp soll im Folgenden beleuchtet werden (Beitrag zum download: Hammer_Asyl-AGH_Entwicklung2014ff).

Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG

Arbeitsgelegenheiten gem. § 5 AsylbLG werden seit 1993 von den für Asyl zuständigen Behörden umgesetzt, in der Regel von Sozialämtern. Es sind zusätzliche Arbeiten, allerdings ohne die Anforderung des öffentlichen Interesses und der Wettbewerbsneutralität. Die gesetzliche Formulierung wurden den Paragraphen des Bundessozialhilfegesetzes nachgebildet.

Nach § 5 (1) AsylbLG sollen in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und in vergleichbaren Einrichtungen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Leistungsberechtigten, Tätigkeiten der Selbstversorgung zu erledigen. Im übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, sofern die zu leistende Arbeit sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde.

Für die zu leistende Arbeit sowohl in einer Einrichtung, als auch bei den öffentlichen Trägern wird eine Aufwandsentschädigung von 0,80 Euro je Stunde (bis zum 6.8.2016: 1,05 Euro) gezahlt (§ 5 Abs. 2 AsylbLG) und die Arbeitsgelegenheit ist zeitlich und räumlich so auszugestalten, dass sie auf zumutbare Weise und zumindest stundenweise ausgeübt werden kann (§ 5 Abs. 3 AsylbLG).

Leistungsberechtigte, die nicht erwerbstätig und nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, können zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet werden. Bei einer unbegründeten Ablehnung einer solchen Tätigkeit besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 5 Abs. 4 AsylbLG).

Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung werden nicht begründet. § 61 Abs. 1 des Asylgesetzes sowie asyl- und ausländerrechtliche Auflagen über das Verbot und die Beschränkung einer Erwerbstätigkeit stehen einer Tätigkeit nach den Absätzen 1 bis 4 nicht entgegen. Die Vorschriften über den Arbeitsschutz sowie die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung finden entsprechende Anwendung. (§ 5 Abs. 5 AsylbLG).

Aus dem Absatz 1 ergibt sich, dass eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht beabsichtigt ist. Aus dem Absatz ergibt sich darüber hinaus eine Bereitstellungsverpflichtung von Arbeitsgelegenheiten, die zudem für staatliche, kommunale und gemeinnützige Träger gilt. Diese Verpflichtung wird lediglich begrenzt durch den Vorbehalt des Möglichen und durch das Erfordernis der Zusätzlichkeit. Die Prüfung der Zusätzlichkeit erfolgt durch die für das Asylbewerberleistungsgesetz zuständige Behörde.

Nach der Begründung des Entwurfs für das Asylbewerberleistungsgesetz dienen Arbeitsgelegenheiten in Aufnahmeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen dazu, das in § 3 Abs. 1 AsylbLG verankerte Sachleistungsprinzip im Sinne einer vermehrten selbstversorgenden Tätigkeit zu ergänzen. Daher wird für Arbeitsgelegenheiten in solchen Einrichtungen auch nicht vorausgesetzt, dass sie gemeinnütziger und zusätzlicher Art sind. Insbesondere die Arbeitsgelegenheiten in Einrichtungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG dienen zudem der Reduzierung von Kosten, die durch reguläre Arbeitskräfte beim Betrieb der Einrichtung entstehen würden. Arbeitsgelegenheiten nach diesem Gesetz sind allerdings nicht nur als Verpflichtung zu betrachten, sondern auch als Leistung bzw. Möglichkeit zu verstehen ist, sich zu betätigen und die gegenwärtige Situation in begrenztem Maße zu gestalten und finanziell zu verbessern.

Umfang der Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG

Die Datenlage Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG ist vergleichsweise dünn, sowohl was die Differenzierung der Daten wie auch der Häufigkeit der Veröffentlichung betrifft. Für diese Darstellung wurden Daten vom Statistischen Bundesamt genutzt.

Im Jahr 2014 betrug die Zahl der Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG 2.171. Diese Zahl wurde in 2015 deutlich gesteigert und zwar auf 3.656 und in 2016 auf 4.302. Die Zahl der Arbeitsgelegenheiten hat sich von 2014 bis 2016 verdoppelt.

Der Anteil der Personen in Arbeitsgelegenheiten an allen Empfängerinnen und Empfängern von AsylbLG betrug 2016 1,38%, 2015 1,08% und 2014 waren es 1,89%.

Teilnehmende AGH §5 AsylbLG

Teilnehmende AGH §5 AsylbLG


Die absolute Zunahme der Asylbewerber/innen 2014 zu 2015 folgte allerdings nicht dem Zuwachs der Flüchtlingszahlen. Das bereits niedrige Niveau (relativer Anteil) sank sogar von 2014 auf 2015, stieg zwar in 2016, blieb aber immer noch unter dem Niveau von 2014.

Der geringe Umfang dieses Instruments zeigt, dass die Kommunen nur in marginalen Umfang auf diese Möglichkeit zurückgegriffen haben und der Anstieg der Asylbewerberzahlen hier auch keine Änderung mit sich gebracht hat. Maßnahmeträger können ihre Maßnahmekosten erstattet bekommen, allerdings war das oftmals nicht der Fall oder auf einem sehr niedrigen Niveau. Deshalb gibt es auch von der Seite keinen Anreiz zur Nutzung dieses Instrumentes. Es besteht insgesamt der Eindruck, dass die Bereitstellungsverpflichtung des Gesetzes nicht befolgt wurde.

Empfänger und Empfängerinnen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

Zeitreihe Empfänger und Empfängerinnen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

Aufgrund der geringen Zahl haben diese AGH in der öffentlichen Diskussion um Sinn und Nutzen von AGH keine Rolle gespielt (Hammer 2017a).

 

Struktur der Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen des AsylbLG als Arbeitsgelegenheiten

Die Altersverteilung zeigt, dass in der Regel nur wenige Minderjährige und über 65 Jährige in einer solchen AGH sind.

AGH-TN nach Alter

AGH-TN nach Alter

 

Die Verteilung nach Geschlecht zeigt, dass der Anteil der Frauen in Arbeitsgelegenheiten gering ist: 2014 betrug er 22%, 2015 20,62% und im Jahr 2016 waren es 23,15%. Frauen erhalten weniger häufig eine Arbeitsgelegenheit als es ihrem Anteil an den Empfänger/innen von Asylbewerberleistungsgesetz entspricht. Der Frauenanteil belief sich 2016 auf 34,3%, 2015 auf 32,9% und in 2014 auf 36,7%.

Teilnehmende AGH § 5 AsylbLG nach Geschlecht

Teilnehmende AGH § 5 AsylbLG nach Geschlecht


Die Teilnehmenden waren am häufigsten in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht (49,1% in 2016, 43% in 2015). Den Anteil der Teilnehmenden in einer dezentralen Unterbringung hat sich 2016 gegenüber 2015 und 2014 reduziert.

AGH-TN nach Art der Unterbringung

AGH-TN nach Art der Unterbringung


In der großen Mehrheit ist der Haushaltsvorstand in der AGH (82,3% in 2016, 85,72% in 2015; 86,55%).

Mehr als vier Fünftel der Teilnehmenden (85,7% in 2016, 83% in 2015 und 2014) haben eine Aufenthaltsgestattung. Der nächst häufige aufenthaltsrechtliche Status ist die Duldung mit 6% in 2016, 7% in 2015 und 10% in 2014. Die anderen Aufenthaltstitel spielten keine große Rolle. Die Struktur zwischen beiden Jahren ist ähnlich, wenn man die Kategorie „ohne Angabe“ (darin einschließlich Personenkreis mit Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender) weglässt.

AGH-TN nach Aufenthaltsstatus

AGH-TN nach Aufenthaltsstatus


Gruppiert man die Teilnehmenden in AGH nach den TOP5-Staatsangehörigkeiten für 2014 bis 2016 ergibt sich folgendes Bild: Menschen aus Eritrea waren in 2014 am häufigsten in Arbeitsgelegenheiten. Ihre Zahl nimmt danach ab Im Jahr 2015 waren Asylbewerber/innen aus Syrien am häufigsten, wobei ihre Zahl in 2016 ebenfalls wieder zurückging.In 2016 kamen Asylbewerber/innen am häufigsten aus Afghanistan. Ihre Zahl hat sich von 2014 bis 2016 fast versechsfacht.

AGH-TN nach Staatsangehörigkeit

AGH-TN nach Staatsangehörigkeit

 

Kosten der Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG

Die Bruttoausgaben für Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG betrugen im Jahr 2014 8.745.879 Euro, im Jahr 2015 15.358.560 Euro und in 2016 26.674.457 Euro. Die Summe hat sich von 2014 bis 2016 verdreifacht. Die relative Steigerung fiel je nach Bundesland unterschiedlich groß aus: in Sachsen war sie besonders groß und in Bremen und dem Saarland besonders klein. Für Hamburg sind keine Werte ausgewiesen. Baden-Württemberg steht an der Spitze der Bruttoausgaben für AGH unter den Bundesländern.

Bruttoausgaben für AGH nach Bundesländern

Bruttoausgaben für AGH nach Bundesländern


Interessant ist der Vergleich der Bruttoausgaben für Arbeitsgelegenheiten als Anteil an allen Ausgaben für Asylbewerberleistungen. Der bundesweite Durchschnitt lag bei 0,28% in 2016 und ähnlich in 2015 bei 0,29% (Anm.: die beiden Mittelwertlinien liegen in der Grafik aufeinander). Im Jahr 2014 lag er mit 0,36% höher. Mit Ansteigen der Flüchtlingszahlen wurden der durchschnittliche relative Anteil der Ausgaben für Arbeitsgelegenheiten an den Asylbewerberleistungen nach 2014 reduziert.Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sind sehr groß. Dies lässt auf unterschiedliche politische Gestaltungen schließen und hat nichts mit der Rechtslage zu tun.

Im Jahr 2015 und 2016 war der Anteil in Baden-Württemberg acht mal so hoch wie in Berlin und lag an der Spitze aller Bundesländer. In Baden Württemberg sank der Anteil 2015 gegenüber 2014 und stieg dann in 2016, ohne das vorherige Niveau zu erreichen. In sieben Bundesländern fiel der Ausgabenanteil sowohl in 2015 als auch in 2016 gegen 2014. In Hessen und Sachsen wuchs dagegen der Anteil.

 Bruttoausgaben für AGH nach Bundesländern in Prozent der Asylbewerberleistungen

Bruttoausgaben für AGH nach Bundesländern in Prozent der Asylbewerberleistungen


Die Kosten pro Teilnehmer/in betrugen 2014 4.028 Euro und im Jahr 2015 waren es 4.200 Euro. Im Jahr 2016 stieg der Betrag deutlich an, auf 6.200 Euro pro Teilnehmer/in Die Kosten pro Teilnehmer/in stiegen um die Hälfte im Jahr 2016 zum Jahr 2014.

AGH-Kosten pro Teilnehmer/in

 

Fazit

Die Arbeitsgelegenheiten gem. Asylbewerberleistungsgesetz sind weitgehend unbeachtet in der öffentlichen Wahrnehmung. Das wird mit im Vergleich zu anderen Maßnahmentypen wie den Arbeitsgelegenheiten gem. dem SGB II und den Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen den geringen Fallzahlen zusammenhängen. Es ist anzunehmen, das der gesetzlichen Bereitstellungspflicht nicht nachgekommen wurde. Die regionalen Unterschiede sind sehr groß und lassen verschiedene Politikstrategien bei der Umsetzung des Gesetzes vermuten.

Da Maßnahmeträger häufig keine oder nur geringe Maßnahmekosten erstattet bekommen haben, entwickelte sich hier für sie kein Geschäftsmodell, zumal die Integration in Arbeit kein Ziel dieses Instruments ist.

Zwar wurde absolut die Zahl der Arbeitsgelegenheiten in den Jahren 2016 und 2015 gegenüber 2014 deutlich auf 4.300 gesteigert, allerdings von einem geringen Niveau aus. Teilnehmende in Arbeitsgelegenheiten sind typischerweise

  • männlich,
  • im erwerbsfähigen Alter,
  • Haushaltsvorstand,
  • leben in einer Gemeinschaftsunterkunft und
  • haben eine Aufenthaltsgestattung.

Gleichzeitig sank der Anteil der Bruttoausgaben für Arbeitsgelegenheiten im gleichen Zeitraum von 0,36% auf 0,28%. Die Kosten pro Teilnehmer/in von rund 4.000 Euro wurden deutlich auf 6.200 Euro gesteigert.

Die Auswirkung der Einführung der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) auf die Bereitstellungspflicht von Arbeitsgelegenheiten gem. § 5 AsylbLG in 2016 kann schlecht abgeschätzt werden, da diese zwar deutlich mehr Teilnehmende als die AGH zählten, sie allerdings wieder schnell an Bedeutung verloren haben (Hammer 2017c).

Offensichtlich hängt die Teilnahme und die Ausgestaltung einer AGH nach § 5 AsylbLG stark vom Bundesland ab. Trotz der gestiegenen Zuwanderung bleibt das Instrument marginal.

 

Literatur

Hammer 2017a: Umfang zusätzlicher Arbeiten in der Arbeitsmarktförderung. https://tinyurl.com/Hammer-ZusaetzlicheArbeiten

Hammer 2017b: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen. http://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=339

Hammer 2017c: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen mit kürzeren Bewilligungsdauern. https://tinyurl.com/Hammer-FIM-Kuerzung

Hammer 2017d: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen. https://tinyurl.com/hammer-FIM

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