Teilhabe am Arbeitsmarkt stagniert

„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.

Die Nutzung des Instruments stagniert seit über einem Jahr (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt am Maximum?). Sowohl für die Eintritte (bereits seit 5/2019) als auch für den Bestand (seit 1/2021) ist ein Rückgang zu beobachten (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt im Sinkflug 2021? und Teilhabe am Arbeitsmarkt – nur für 40.000?). Es ist deutlich, dass der Rückgang der Eintritte bereits vor der Corona-Pandemie eingesetzt hat.

Im Oktober 2022 wurden 40.107 Personen gefördert (vorläufige Zahl); das entspricht dem Niveau vom Juli 2020.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung; eigene Darstellung

Ohne Vorförderung – also über die Überleitung von Geförderten aus anderen Förderinstrumenten in § 16i SGB II – von 13 % (Oktober 2022), wären die Eintritte in 2019 sicherlich noch so hoch gewesen und der Bestandsaufbau wesentlich langsamer erfolgt.

Die Neueintritte bzw. Nachbesetzungen von Arbeitsplätzen sind geringer als der Abbau. Die hohe Zahl an vorzeitigen Austritten (42,6 %, gleitende 12-Monatssumme 7 /2022) trägt zum Bestandsabbau bei.

Erleichterungen im Zugang hätten untergesetzlich erfolgen können. So könnte der Bund beispielsweise die Ausübung einer längeren und geringen Minijob-Tätigkeit als unschädlich für die Förderung nach § 16i SGB II einräumen. Da solche Anpassungen nicht vorgenommen wurden, ist davon auszugehen, dass das erreichte Volumen das politisch gewünschte Maß erreicht hat.

Im Gesetzesentwurf für das Bürgergeldgesetz wird langfristig mit maximal 40.000 Förderfällen für § 16i SGB II kalkuliert. Folglich wird hier von Nachbesetzungen von Austritten ausgegangen, aber nicht mit einer Ausweitung der Teilhabe an Arbeit. Passend wurde das Budget der Jobcenter für 2023 gekürzt.

Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – wird somit nicht dauerhaft und nur begrenzt eingelöst. Die mit dem Bürgergeldgesetz beschlossene Entfristung des Eintritts in die Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt wird selbst nicht ausreichen, um den Bestand zu halten oder zu erhöhen.

Das Instrument sollte in seinem Design geändert werden und der Bund mehr Mittel (und Verpflichtungsermächtigungen) als bisher dafür bereitstellen. Dann könnten die bisher in der Förderung unterrepräsentierten Frauen, AusländerInnnen und Personen ohne Berufsabschluss angemessener Teilhabe erfahren. Für eine Änderung der Umsetzung spricht zudem, dass eine hohe Zahl von 40,4 % drei Monate nach Austritt (gleitende Jahressumme 1/2022; Daten der gemeinsamen Einrichtungen) erneut leistungsberechtigt und arbeitslos ist (und nicht in einer anderen Maßnahme, also ohne Anschlussperspektive).

Nach der beschlossenen Entfristung des Instruments im Rahmen des Bürgergeld-Gesetzes nimmt gegenwärtig die Argumentation zu, dass es sich beim § 16i SGB II um ein teures Förderinstrument handele im Vergleich zu anderen. Die meisten Vergleiche hinken allerdings. Wenn man die Kosten des Instruments ins Feld führt, sollte genau gesagt werden, welche Alternative zum § 16i SGB II günstiger die Teilhabe an Arbeit für Personen herstellt, die in sechs Jahren von sieben Jahren im Leistungsbezugs sind und nur geringe Unterbrechungszeiten durch Erwerbstätigkeit haben.

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