Menschen im jungen und mittleren Alter besonders von Einsamkeit betroffen

Depressed man watercolor

In vielen westlichen Industrieländern hat eine öffentliche Diskussion zum Thema Einsamkeit im Alter Fahrt aufgenommen. Nachdem 2018 in Großbritannien ein Regierungsposten zur Bekämpfung der Einsamkeit eingerichtet wurde, sind auch in deutschen Verwaltungen Stabsstellen oder Förderprogramme (z. B. „Stärkung der Teilhabe älterer Menschen – gegen Einsamkeit und soziale Isolation“ des Bundes) eingerichtet worden. Zuvor war Einsamkeit im 1. und 2. Weltkrieg besonders häufig Thema.

Einsamkeit kann als eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen definiert werden (Maike Luhmann).

Einsamkeit war Thema einer Studie (Rente und Alter – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, Januar 2020, Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH im Auftrag des Bundes), die sich auf Rente und Alter bezieht. Unter den 1.075 Befragten ab 18 Jahren in der Bevölkerung Deutschlands waren 630 Rentnerinnen und Rentner (zum Thema Ältere und Wohnen bzw. Ältere und Einsamkeit siehe). Diese Daten* wurden ausgewertet (alle Berechnungen: Andreas Hammer) und entsprechend der allgemeinen Bevölkerungsstruktur gewichtet. In der Umfrage wurde Einsamkeit mit einer einzigen Frage gemessen („Wie ist das mit dem Thema Einsamkeit: Fühlen Sie sich …- häufig einsam, – ab und zu, – selten oder – nie?“). Dies ist durchaus üblich. Die Werte sind bei dieser Messart möglicherweise aufgrund sozial erwünschter Antworten unterschätzt. Die Daten wurden unmittelbar vor der SARS-CoV-2-Pandemie erhoben, sodass die Werte von Einsamkeit seitdem noch gestiegen sein werden.

Zunächst einmal beträgt in der Stichprobe der Anteil der einsamen Menschen 14,6 Prozent. Hochgerechnet auf die Bevölkerung im gleichen Alter wären rund 9,7 Mio. Menschen von Einsamkeit häufig oder ab und zu betroffen.

Entgegen populärer Annahmen, auch denen des deutschen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/aeltere-menschen/aktiv-im-alter/einsamkeit-im-alter), ist es nicht so, dass ältere Menschen besonders häufig von Einsamkeit betroffen sind. Dies zeigen die Umfragedaten.

Die Altersangaben in den Datensätzen wurden für die folgende Auswertung umgruppiert, sodass immer 10 Jahrgänge zusammengefasst sind (Ausnahme: die jüngste Altersgruppe umfasst zusätzlich die 18- und 19-Jährigen; Altersgruppe 1 = 18 bis 29 Jahre, 2 = 30 bis 39 Jahre usw.).

Nicht einsame Personen

Diejenigen, die sich nicht einsam (zusammengefasst selten und nie) fühlen, sind in ihrem Alter normalverteilt. Der Median der Altersgruppe liegt bei 40 bis 49 Jahren.

Einsame Personen

Bei denjenigen, die sich einsam fühlen (zusammengefasst häufig und ab und zu), gibt es eine andere Verteilung. So gibt es zwei erhöhte Werte bei den bis 29-Jährigen und bei den 50 bis 59-Jährigen. Ansonsten sinken die Anteile der Einsamen mit steigendem Alter. Der Median der Altersgruppe liegt bei 40 bis 49 Jahren. Allerdings: Einsamkeit ist in allen Altersklassen vertreten.

Die erste Risikogruppe der jungen Menschen ist vermutlich deshalb stärker von Einsamkeit betroffen oder bedroht, da sie für ein Studium oder eine Erwerbstätigkeit den Wohnort wechselt. Diese Erklärung wird dadurch bestärkt, wenn man die Daten nach dem Ausbildungsstatus (in Ausbildung/Studium ja/nein) auswertet. Hier fühlen sich diejenigen in Ausbildung besonders einsam.

Für die zweite Risikogruppe der 50- bis 59-Jährigen ändert sich häufig die Haushaltssituation: die eigenen Kinder sind ausgezogen oder Partnerschaften ändern sich. Diese Veränderung beginnt schon in der 2. Hälfte der 40er-Jahre (Anteil der Einsamen 40-44 Jahre: 5,3 %, Anteil der Einsamen 45-49 Jahre: 6,1 %). Auch Singles, Ledige, Geschiedene und Verwitwete fühlen sich einsamer.

Besondere Aufmerksamkeit sollte deshalb auf diese beiden Gruppen gerichtet werden.

Die Älteren über 70 Jahre haben einen eher geringen Anteil an den Einsamen.

Weitere Merkmale, die mit höheren Anteilen bei Einsamkeit verbunden sind, sind eine größere Unzufriedenheit mit dem Leben allgemein, mit der Wohnsituation und dem Gesundheitszustand. Die Größe des Wohnortes spielt übrigens keine signifikante Rolle.

Strategien und Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen

Sollte Einsamkeit zu sozialer Isolation oder gesundheitlichen Belastungen führen, besteht Handlungsbedarf. Entsprechende Strategien und Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen könnten nach den beiden verschiedenen Risikogruppen differenziert werden. Sie sollten sich nicht alleine an der persönlichen Situation richten (ein Auslöser wie Verwitwung lässt sich nicht rückgängig machen, Auszug der Kinder), sondern auch die Struktur im Umfeld in den Blick nehmen (Schaffung von Gelegenheiten für soziale Interaktion, Wohnformen, siehe).

Dabei sollte berücksichtigt werden, dass sich der Anteil der Einsamen, die mehr Kontakt zu anderen Menschen suchen etwa genauso groß ist wie der, die nicht mehr Kontakt suchen. Für die Kontakt-suchenden Einsamen wären strukturelle Angebote wohl geeigneter. Einsame, die nicht mehr Kontakt suchen, können resigniert haben auf der Suche nach Kontakt (sie sind auch weniger zufrieden mit ihrem Leben) oder keinen Veränderungswunsch haben. Hier könnte der Einsatz sozialer Medien ein geeigneter Ansatz sein.

  • * GESIS Datenarchiv, Köln. ZA6747 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.13579
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