Müssen Menschen in Deutschland eine Mahlzeit ausfallen lassen, weil das Geld für Essen nicht ausreicht?

Gourmet Seafood (Unsplash)

Soziale Ungleichheit ist ein gesellschaftliches Dauerthema, welches unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet wird. Unter den verschiedenen Aspekten wird nachfolgend lediglich ein Aspekt hervorgehoben: müssen Personen eine Mahlzeit ausfallen lassen, weil das Geld für Essen nicht ausreicht?

Für eine Auswertung* wurden Daten des International Social Survey Programme herangezogen. Dies ist ein länderübergreifendes, fortlaufendes Umfrageprogramm, das jährlich Erhebungen zu Themen durchführt, die für die Sozialwissenschaften wichtig sind. Die Studie 2019 konzentriert sich auf Fragen zur Sozialen Ungleichheit: An der Studie teilgenommen haben 1325 Personen im Alter von 18 Jahren und älter. Auf die Frage haben 1285 geantwortet (gewichtet). Die absoluten Zahlen sind zur Korrektur der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die Strukturen der Grundgesamtheit gewichtet. Die Antworten wurden in Deutschland im Herbst 2019 erfasst.

Die Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt.

Die Frage lautete:

Wie oft lassen Sie oder andere Mitglieder Ihres Haushalts eine Mahlzeit ausfallen, weil das Geld für Essen nicht ausreicht? Bitte nur EIN Kästchen ankreuzen!
Nie
Weniger als einmal im Monat
Einmal im Monat
Mehrmals im Monat
Einmal in der Woche
Mehrmals in der Woche
Jeden Tag
Kann ich nicht sagen

Für die Auswertung wurden zwei Gruppen gebildet: eine, bei denen nie eine Mahlzeit ausfällt, und eine zweite, bei denen dies vorkommt, wie häufig auch immer.

Insgesamt lassen 93,2 % nie eine Mahlzeit ausfallen, bei 6,8 % kommt dies vor. Die zweite Gruppe entspricht einem Umfang in der Bevölkerung in 2019 von hochgerechnet rund 4,7 Mio. Betroffenen im Alter von über 18 Jahren.

Besonders betroffene Gruppen sind dauerhaft kranke oder erwerbsunfähige Personen, bei denen mehr als die Hälfte (56,4 %) auf eine Mahlzeit im Monat verzichten muss, weil das Geld für das Essen nicht ausreicht.

Arbeitslose und Arbeitsuchende (ILO-Konzept) sind gleichfalls zu einem großen Anteil davon betroffen: mehr als jeder Vierte (27,2 %).

Aber auch Erwerbstätige sind nicht vor diesem Problem geschützt. Bei immerhin 5 % fällt zumindest eine Mahlzeit im Monat aus.

Diejenigen, die bei der letzten Bundestagswahl (2018) gewählt haben, wurden gefragt, wem sie die Zweitstimme gegeben haben. Demnach haben vor allem Wähler*innen von „Die Partei“ (22,6 %) und der AfD (8,1 %) eine Mahlzeit ausfallen lassen, weil ihnen das Geld nicht gereicht hat. Wähler*innen von Bündnis 90/Die Grünen (3,9 %) und von CDU/CSU (4,7 %) waren am geringsten betroffen.

Fazit

Über 4 Millionen sind trotz Sozialleistungen und Tafeln davon betroffen, aus Geldmangel auf eine Mahlzeit verzichten zu müssen. Dieser Umfang scheint auf eine große, finanzielle und möglicherweise strukturelle Ungleichheit hinzudeuten (bei der in 2022 zu beobachtenden Inflation ist der Umfang wohl noch höher). Eine Erhöhung des Arbeitslosengeld II oder des Mindestlohns wird hier eine Verbesserung bewirken, allerdings wäre das allenfalls eine Teillösung. Erwerbsunfähige, Rentner*innen oder Auszubildende brauchen weiterführende Verbesserungen, um regelmäßige Mahlzeiten zu ermöglichen und Gleichheit zu erhöhen.

*Alle Berechnungen: Andreas Hammer; Quelle: International Social Survey Programme 2019 Social Inequality

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