AGH-Restriktionen in 2012 haben negative Beschäftigungseffekte nicht verhindert

Arbeitsgelegenheiten (AGH) sind ein Rechtsinstrument im SGB II, das auch schon davor in verschiedenen Varianten existierte (mehr). Der Charakter im SGB II ist das eines Workfare-Programms. Sie dienen dem Erhalt oder Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit, und haben nicht die Integration in Arbeit als Ziel.

Der Bund zum April 2012 die AGH rechtlich geändert:

  • Leistungsberechtigte dürfen innerhalb von 5 Jahren maximal 2 Jahre in einer AGH sein (bisher nicht befristet)
  • Die Finanzierung von Qualifizierungseinheiten und sozialpädagogischer Begleitung für die sog. Ein-Euro-Jobber wurden ausgeschlossen (bisher möglich.
  • Außerdem erhielt das Wettbewerbsneutralitätskriterium neu einen gesetzlichen Rang.

Ziel der verstärkten Restriktionen ist offiziell eine Reduzierung des sog. Lock-in-Effekts (reduzierte Intensität der Arbeitssuche aufgrund der Teilnahme an einem Programm) und eine Begrenzung der Zielgruppen.

In der Studie „First step and last resort: One-Euro-Jobs after the reform“ untersuchen Tamara Harrer (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit) und Bastian Stockinger (Statistik der Bundesagentur für Arbeit) die Auswirkungen der Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen auf die Arbeitsgelegenheiten, die zum April 2012 wirksam wurden (Jnl. Soc. Pol. 2021, S. 1–23).

Ein Ergebnis der Gesetzesänderung ist der Studie nach, dass die reformierten AGH überwiegend negative Beschäftigungseffekte in den drei Jahren nach Programmstart haben.

Harrer/Stockinger: Jnl. Soc. Pol. 2021, S. 12

Die Ergebnisse sind weniger nachteilig, wenn

  • Teilnehmer, schon relativ lange arbeitslos sind
  • AGH in Wirtschaftsbereichen umgesetzt werden, in denen die Arbeitsnachfrage und deren Entwicklung eher positiv sind.

Die Autorin und der Autor schreiben, dass

„but overall, our findings seem quite disappointing compared with the findings of pre-reform evaluations“ (S. 19).

Trotz der beabsichtigten Verschärfung der Voraussetzungen und Förderbedingugen von AGH, weisen die AGH weiter starke Lock-in-Effekte, insbesondere bei den beschäftigungsfähigeren Teilnehmern auf. Die Autorin und der Autor argumentieren aber dahin, dass ohne die Verschärfung 2012 die Lock-in-Effekte noch größer gewesen wären. Die Schlussfolgerung wäre dann naheliegend, die AGH noch restriktiver zu handhaben.

Als mögliche Erklärungen führen sie die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 und die Änderung des Instrumentendesigns an.

„Furthermore, contemporaneous changes in business cycle conditions and programme design might (Hervorhebung: AH) have had a negative impact offsetting the (apparently small) gains in efficacy from better targeting. At best, the reformed OEJs trigger subsequent participation in other ALMP programmes, which – although “locking in” participants for longer periods – may improve their long-run labour market outcomes.“ (S. 20)

Insgesamt seinen diese Ergebnisse enttäuschend im Vergleich zu den Ergebnissen von Evaluierungen vor der Reform (sichtbar in Diagrammen mit Vorher-Nachher-Vergleich in der Studie).

Als wahrscheinlicher wird in der Studie angenommen, dass die Jobcenter aufgrund der in den früheren AGH angelegten Qualifizierungen und Praktika nun verstärkt Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III anschließen, die diese Möglichkeiten beinhalten. Dadurch verlängere sich der Lock-in-Effekt sogar gegenüber den nicht-reformierten AGH.

Sollte die Bundesagentur für Arbeit und der Bund weiterhin die Position einnehmen, dass AGH in ihrer Ausgestaltung vor allem als letzter Ausweg („ultima ratio“) gelten sollen, dann könnte man schlußfolgern, dass eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach AGH künftig ausgeschlossen werden müsste. Im übrigen ist die Vorstellung von der AGH als ultima ratio spätestens mit dem Teilhabeschancengesetz brüchig. Wäre AGH der letzte Ausweg, dann müsste zuvor die Teilhabe am Arbeitsmarkt nach § 16i SGB II eingesetzt und gescheitert sein. Bei diesem Instrument müssen die Geförderten als Fördervoruassetzung mindestens sechs Jahre im Leistungsbezug gewesen sein. Dann käme AGH fühestens nach sieben Jahren erstmalig als letzter Ausweg zum Zuge.

Man könnte aufgrund der Ergebnisse der beschriebenen Studie auch zum Schluss kommen, dass bereits vor der AGH-Teilnahme die AGH-Teilnehmenden zuwenig mit Qualifizierungen und Praktika gefördert wurden, die dann in der AGH nachgeholt wurden. Weiter zeigen Auswertungen, dass selbst aus der AG als ultima ratio Integrationen in Arbeit erfolgen, obwohl das kein Maßnahmeziel ist.

Für ein Re-Design der AGH liegen zahlreiche nicht aufgegriffene Vorschläge vor (u. a. Vom Bundesrechnungshof, WSI). Mögliche Schritte wären die Zuweisung in AGH ohne Rechtsfolge einer Sanktion , also auf freiwilliger Basis, wie das in früheren Jahren schon der Fall war, sowie die Implementierung von Qualifizierungen und Praktika, was ebenfalls mit den Studienergebnissen begründbar wäre.

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