Einschränkung beim ermäßigten Steuersatz für gemeinnützige Einrichtungen

Waren zuletzt Organisationen wie Attac von Einschränkungen bei der Gemeinnützigkeit betroffen, hat nun ein aktuelles Gerichtsurteil des Bundesfinanzhof Auswirkungen auf Beschäftigungs- und Bildungsträger.

Zum Hintergrund

Bei einem Verfahren ging es um einen Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens. Er verfolgt mildtätige Zwecke i.S. des § 53 der Abgabenordnung (AO) durch die Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Hilfe bedürfen. Zur Erfüllung dieses Satzungszwecks betreibt er eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen mit dem Ziel, solchen Personen Arbeitsplätze zu bieten, die wegen ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.
Dieser Verein betreibt außerdem ein Bistro und eine öffentliche Toilette, die nicht Betriebsteil der Werkstatt für Behinderte sind. Die Ausstattung von neu geschaffenen Arbeitsplätzen für behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt wurde durch das Integrationsamt gefördert. Sowohl die Lohnkosten der im Bistro beschäftigten ehemaligen Langzeitarbeitslosen als auch die Lohnkosten der aus dem Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen ausgegliederten und nunmehr in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigten behinderten Menschen wurden durch öffentliche Mittel gefördert. Zusätzlich waren nicht behinderte Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Verein hat bei den Umsätzen aus dem Betrieb des Bistros und der öffentlichen Toilette den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angelegt.

Das Finanzamt hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Bistro um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handele, der kein Zweckbetrieb sei. Folglich sei der allgemeine Steuersatz anzuwenden.
Daraufhin hat der Verein gegen die Feststellung des Finanzamtes geklagt.

Urteil des Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden und folgenden Leitsatz formuliert:

Die Umsätze, die ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens aus Gastronomieleistungen und der Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette erzielt, sind selbst dann nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben.

( BUNDESFINANZHOF Urteil vom 23.7.2019, XI R 2/17)

Fazit

Einrichtungen, die Bistros oder Kantinen betreiben, sollten nunmehr prüfen, wie sie ihren vergleichbaren Geschäftsbetrieb bzw. Zweckbetrieb steuerlich handhaben und ob sie die Anforderungen des Bundesfinanzhofes erfüllen. Außerdem sind die weiteren Folgen auf ihre Gemeinnützigkeit in den Blick zu nehmen.

Das Urteil hat aber eine grundsätzlichere Bedeutung: Mit der gleichen Begründung würden Umsätze von Beschäftigungsträgern wie z. B. aus Ladengeschäften (second-hand-Geschäfte) oder Werkstätten, in denen Arbeitslose beschäftigt werden, und Produkte verkauft werden, dem vollen Steuersatz unterliegen.

Unter Umständen könnte in der Folge der Anteil der nicht ermäßigten Umsätze derart steigen, dass die Gemeinnützigkeit des Trägers insgesamt bedroht ist.

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