Passiv-Aktiv-Transfer – drohende Bürokratie?

Um das Teilhabechancengesetz zu finanzieren ist ein sog. Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) vorgesehen. Die Ankündigung im Koalitionsvertrag der CDU/CSU/SPD-Regierung ist im Entwurf des Bundeshaushaltes 2019 aufgenommen. Demnach können „gesparte“ Fördermittel in Folge des §16i SGB II/Teilhabechancengesetz im Entwurf bis zu einer Obergrenze von 700 Mio. Euro wieder für die Jobcenter bereit gestellt werden. Durch die Lohnkostenzuschüsse gem. des geplanten §16i SGB II entsteht anrechenbares Einkommen, was die Passivleistungen (Alg II, Kosten der Unterkunft) senkt. Diese „eingesparten“ Beträge sollen wieder eingesetzt werden können (gegenseitige Deckungsfähigkeit).

Dieser Ansatz wird von Expertinnen und Experten der Arbeitsmarktpolitik seit Jahren gefordert und deshalb begrüßt.

Hinsichtlich der Umsetzung des PAT stellen sich zahlreiche Fragen, die noch nicht abschließend beantwortet sind.

Die nicht unwichtige Frage ist nun: wie kann der PAT technisch umgesetzt werden?

Bei den Jobcentern sind unter anderem folgende Fragen offen:

  • Wie könnten die Jobcenter den „eingesparten“ Betrag ganz praktisch berechnen?
  • Kann die jeweilige Software für den laufenden Monat einen nicht vorhandenen Zustand simulieren?
  • Wie können die Jobcenter nachvollziehbar die Berechnung der „Ersparnis“ dokumentieren?
  • Müssen zwei Bescheide erstellt werden, einer mit und einer ohne „Ersparnis“?
  • Können fiktive „Ersparnisse“ auch für den Fall berechnet werden, in dem zwei erwerbsfähige Leistungsberechtigte in einer Bedarfsgemeinschaft gefördert werden?
  • Wie groß wird der Aufwand für die Berechnung der jeweiligen „Ersparnis“ sein, wenn es zu durchaus üblichen Einkommensschwankungen kommt, sei es durch Änderung des Entgelts der geförderten Beschäftigten (Änderung Stundenlohn, Änderung Stundenumfang) oder anderer Bestandteile der Leistungsberechnung (Zahl der Kinder, Höhe der Miete usw.)?
  • Wie kann die „Ersparnis“ berechnet und dokumentiert werden, wenn zeitweise der Leistungsbezug unterbrochen würde?
  • Ist es hier dem Bund möglich aufgrund der unterschiedlichen Software der Jobcenter in kommunaler Trägerschaft Vorgaben zu machen?

Auf der Bundesebene gibt es zusätzliche Unklarheiten. Der Bund wird den PAT steuern müssen, damit die im Haushalt verankerte Obergrenze von 700 Mio. Euro nicht überschritten wird. Vermutlich wird dafür ein Monitoring installiert werden. Die Jobcenter müssten dazu dann fortlaufend die Daten liefern. Für den Fall, dass die Obergrenze überschritten werden könnte, entstehen folgende Fragen:

  • Wie will der Bund die Einhaltung der Obergrenze durchsetzen?
  • Pickt er ein Jobcenter raus, welches dann per Weisung keine „Ersparnisse“ mehr ansetzen darf oder pickt er einen Förderfall raus?
  • Nach welchen Kriterien will der Bund eine solche Entscheidung treffen und Auswahl begründen?

Die Kommunen sind aufgefordert analog zum Bund ihre „eingesparten“ Kosten (der Unterkunft und Heizung) ebenfalls dem System wieder bereitzustellen. Wie könnten diese „Ersparnisse“ berücksichtigt werden, wenn der Bund wegen der Überschreitung der Obergrenze von 700 Mio. Euro keine Berechnung mehr vornehmen will?

Fazit

Es sind zahlreiche ganz alltägliche, praktische wie technische Fragen offen und zu klären. Dabei dürfen die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft nicht schlechter gestellt werden als die gemeinsamen Einrichtungen.

Diese technischen Probleme könnten als trivial bewertet werden; allerdings kann ohne Klärung der Start der Umsetzung des Teilhabechancengesetzes verzögert werden.

Die Verwaltungsaufwand zum Umsetzung des PAT sollte nicht dazu führen, dass Jobcenter deswegen das Teilhabechancengesetz nicht im möglichen Umfang umsetzen. Und die gefundenen Verfahren dürfen nicht dazu führen, dass bestimmte potentielle Leistungsberechtigte nach §16i SGB II praktisch nicht gefördert werden, weil die Berechnung für ihre Fallkonstellation aufwändiger wäre als für andere Konstellationen.

Pauschalierung der „Ersparnisse“ wäre eine Lösung. Dies wird beim PAT des Landes Baden-Württemberg so gehandhabt. Der Entwurf zum Haushaltsgesetz macht dazu keine Aussagen. Eine weitere Reduzierung von Verwaltungsaufwand könnte der Verzicht auf die Berücksichtigung von Einkommensschwankungen und anteiligen Monaten und Unterbrechungen des Leistungsbezugs bei der Berechnung der „Ersparnis“ bringen.

Eine Lösung sollte zur sozialen Teilhabe und Arbeitsmarktintegration beitragen.

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