Entwicklung des Programms zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit

Das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierte Förderprogramm des Bundes zugunsten langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter läuft nun schon seit mehr als 9 Monaten. Zeit sich die Entwicklung anzuschauen.

Die Bundesregierung beabsichtigt mit diesem Programm, arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Leistungsbezieher im SGB II nachhaltig in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.

Jobcenter als einzige Antragsteller konnten eine Förderung nach dem ESF beantragen für

  • die Akquisition von Arbeitsplätzen in Betrieben
  • das Coaching von MaßnahmeteilnehmerInnen und ihren Arbeitgebern (welches auch durch Dritte durchgeführt werden kann) sowie
  • Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber.

Über das problematische Programmdesign habe ich im Blog-Eintrag vom 21.9.2014 berichtet (siehe dort).

Wie sieht nun die Entwicklung nach 9 Monaten aus?

Im Januar 2016 waren 2.789 Teilnehmende im Bestand des Programm im ganzen Bundesgebiet. Die meisten Teilnehmenden gibt es Nordrhein-Westfalen (637; entspricht 22,77% aller Teilnehmenden), gefolgt von Bayern (368) und Niedersachsen (284). Am Ende steht Hamburg mit 3 Teilnehmenden. Aus den Daten ist nicht zu erkennen, weshalb Hamburg nicht mehr Teilnehmende hat. Bislang spielt die Größe des Bundeslandes keine große Rolle beim Bestandsumfang. Selbst das kleine Saarland hat mehr (2) Teilnehmende wie das große Berlin. Das zeigt eine große regionale Verschiedenheit.

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Entwicklung des Bestands (kumuliert) der Teilnehmenden im ESF-Bundesprogramm zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit – nach Bundesländern (zum Vergößern: anklicken)

Das Programm lief offensichtlich schleppend an. Im Mai 2015 waren erst 6 Teilnehmende im Bestand. Die Hälfte der Teilnehmenden im Mai 2015 kamen aus Rheinland-Pfalz. Im Juni 2015 waren dann mindestens 6 Bundesländer involviert und erst im Januar 2016 waren alle Bundesländer beteiligt.

Im bisherigen Monatsdurchschnitt erhöht sich jeden Monat der Bestand um rund 310 Teilnehmende. Die vorgesehen Größenordnung von 30.000 Teilnehmenden ist unter den bisherigen Bedingungen bei einer unveränderten Entwicklung eher unwahrscheinlich zu erreichen. Vom geplanten output von 31.985 Teilnehmenden wurden bisher 8,7% erreicht.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die bisherigen, detaillierten Regelungen in der Förderrichtlinie, die den Jobcentern praktisch keinen Ermessensspielraum erlauben, zu Restriktionen bei den Eintritten in das Programm geführt haben.

Um die Zahl von 30.000 Teilnehmenden noch erreichen zu können, besteht ein größerer Steuerungsbedarf auf Bundesebene. Die Jobcenter haben keine Steuerungsmöglichkeit in diesem Programm. So ist es nicht verwunderlich, dass am 22.2.2016 die Förderrichtlinien geändert wurde. Mit der Neufassung wurde die Zielgruppe für das Programm erweitert. Hier der Wortlaut:

„Hinsichtlich der Zielgruppenerweiterung werden folgende Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit ergänzend zu den bereits vorgesehenen Unterbrechungen ebenfalls als Zeiten der Arbeitslosigkeit gezählt:
– Krankheit ohne zeitliche Begrenzung
– Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger
– genehmigte Ortsabwesenheiten
– Zeiten ohne Nachweis bis zu jeweils sechs Wochen
– Teilnahme an kurzen Weiterbildungsmaßnahmen bis zu jeweils acht Wochen
– Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen nach § 16f SGB II
Die Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen
Arbeitszeit von unter 15 Stunden steht der Arbeitslosigkeit ebenfalls nicht entgegen.“

Diese Änderung der Förderrichtlinie wird vermutlich keinen großen Schub in das Programm bringen.

Der Erfolg eines Anreizprogrammes wie dem hier angesprochenen ESF-Programm hängt von der Balance von Anreizen und Regulativen hinsichtlich der Adressateninteressen ab. Da die Motivationskomponente mit ihren finanziellen Anreizen zumindest für die potenziellen Arbeitgeber ähnlich sind wie in Vorgängerprogrammen, ist die Regelungskomponente in den Blick zu nehmen. Die Regelungskomponente definiert Verhaltensanforderungen und Fördervoraussetzungen. Und hier hat wohl die Befürchtung vor Mitnahmeeffekten oder vor einer unkontrollierte Ausweitung eines Bedarfs für einen sog. sozialen Arbeitsmarkt oder vor einer Gefährdung der Steuerungsfähigkeit des Bundes für derart restriktive Bedingungen gesorgt, die sich nun als unausgewogen hinsichtlich der Balance von Motivations- und Regelungskomponente darstellen. Der Bund verzichtet damit auch auch die örtlichden kreativen Ressourcen zur Lösung der Langzeitarbeitslosigkeit.

Der Bund sollte in seinem Förderprogramm hinsichtlich mit seiner regulativen Bedingungen mehr Spielraum geben für eine Jobcenter- und/oder Trägerspezifische Varianz der Förderkonditionen – sofern nicht bestimmte Adressaten bewusst von der Implementation ausgeschlossen werden sollen. Das Jobcenter könnte dann durch die Variation der Förderbedingungen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Komponenten herstellen.

Statt den zahlreichen Detail-Regelungen nun Ausnahmen nachzuschieben, sollte der Detaillierungsgrad reduziert und der Ermessensspielraum der Jobcenter erhöht werden.

Zum Vergleich: Nach 9 Monaten in diesem Programm sind rund 2.800 Teilnehmende im Bestand und beim Programm Bürgerarbeit waren es nach 9 Monaten bereits 15.812 Teilnehmende. Dass im Programm Bürgerarbeit in gleichen Zeitraum 5,6 mal so viele Teilnehmende im Bestand waren, zeigt, dass es nicht die üblichen Anlaufschwierigkeiten eines neuen Programms das Problem ist, sondern eher das Programmdesign der ausschlaggebende Faktor ist.

Die nächste Änderung der Förderrichtlinie ist absehbar.

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